«‹Frieden› ist alles andere als idyllisch»

Aktuell 05.11.2020

Am Samstag, 7. November, feiert die historische Dramaserie «Frieden» auf Play Suisse Premiere. Das Drehbuch zur SRF-Koproduktion stammt von Petra Volpe, die sich mit Kinohits wie «Die göttliche Ordnung» oder «Heidi» einen Namen gemacht hat. Die Drehbuchautorin erklärt im Interview, wie viel historische Wahrheit in «Frieden» steckt und was die Serie beim Publikum auslösen soll.

Bild: Petra Volpe

Frau Volpe, Sie haben eine Serie zur Schweizer Nachkriegsgeschichte geschrieben. Finden Sie, dass dem Thema bislang zu wenig Beachtung geschenkt wurde?

Meines Wissens ist es die erste Serie zu diesem spezifischen Thema. Es gibt zwar einige sehr gute Filme, welche die Schweiz während des Kriegs thematisieren. Die Nachkriegszeit hingegen ist medial wenig verarbeitet worden, obwohl sie inzwischen von Historikerinnen und Historikern gut erforscht ist. Ich habe auch während meiner Schulzeit kaum etwas über die Nachkriegszeit gelernt, obwohl diese Jahre so prägend waren für unser Land.

Wie viel historische Wahrheit steckt in der Serie? 

Der Schreibprozesses begann mit einer sehr langen Recherchephase. Die Figuren und Ereignisse basieren auf wahren Begebenheiten. Die Firma Frey ist erfunden, aber was dort stattfindet, ist ein Amalgam von Geschäftspraktiken, die es so tatsächlich gegeben hat. Ich habe diese Praktiken einfach gebündelt anhand einer Firma dargestellt. Auch in eine Filmfigur sind manchmal mehrere Personen geflossen. Kurz: Ich habe verdichtet und dramatisiert. Im Laufe des ganzen Prozesses habe ich intensiv mit Historikerinnen und Historikern zusammengearbeitet, um sicherzugehen, dass die Geschichte im Kern so nahe an der Realität bleibt wie möglich. 

Was hat Sie bei den Recherchen zu «Frieden» am meisten überrascht?

Dass die Schweiz so aktiv und willig war, Nazis in unserem Land «überwintern» zu lassen. Wenn man die Protokolle der Bundesanwaltschaft liest, dann kann man nur staunen über die absichtliche Stümperhaftigkeit. Eine meiner Lieblingsanekdoten war, dass zwei Beamte der Bundesanwaltschaft einem Nazi auf der Spur waren und ihn beschatteten. Als der Nazi in einen Zug einstieg, folgten die beiden ihm nicht – weil sie kein Billett hatten. Leider hat es diese Geschichte nicht in die Serie geschafft, das wäre dann eher die Komödienversion von «Frieden» gewesen.

Der Titel «Frieden» und der Drehort – das Glarner Örtchen Ennenda – lassen vermuten, dass es sich bei der Serie um einen idyllischen Schweizer Heimatfilm handelt. 

Es ist schon ein Heimatfilm – aber «Frieden» ist alles andere als idyllisch. Die Serie eröffnet einen Blick auf eine Zeit, die nicht gerade rühmlich war. Aber die Nachkriegszeit ist Teil unserer Geschichte und die Leute in der Schweiz wissen wenig darüber. 

«Frieden» wird auch in Deutschland und Frankreich zu sehen sein. Warum funktioniert dieser Schweizer Stoff auch im Ausland?

Bei «Frieden» geht es im Kern um universelle Themen. Es geht um Verantwortung und um Gerechtigkeit versus Profit. Das betrifft nicht nur die Schweiz. Jedes Land und jeder Mensch hat diese dunklen Ecken.

Warum haben Sie sich beim Stoff von «Frieden» nicht für einen Kinofilm wie bei «Heidi» oder «Die göttliche Ordnung» entschieden, sondern für eine sechsteilige Dramaserie?

Der Stoff war zu umfangreich. Dafür hat sich ein Serienformat viel besser geeignet als ein Film. Ich wollte romanhafter und breiter erzählen, eher wie ein Kaleidoskop.

Was soll die Serie bei den Zuschauerinnen und Zuschauern auslösen?

Ich wünsche mir bei jedem meiner Filme, dass bei den Menschen im besten Fall eine Tür aufgeht und ein kleiner Perspektivenwechsel stattfindet. Am Ende geht es mir um Empathie und auch darum, dass wir unsere Geschichte nicht vergessen. Wir sind verbunden mit der Vergangenheit, denn diese bestimmt auch unsere Gegenwart.

 

Zur Person: Petra Volpe

Die Drehbuchautorin und Regisseurin mit italienisch-schweizerischen Wurzeln studierte an der Filmhochschule «Konrad Wolf» in Potsdam-Babelsberg. Seit ihrem Abschluss im Jahr 2003 arbeitet Petra Volpe als selbstständige Drehbuchautorin und Regisseurin. Ihr Kinodebüt «Traumland» kam im Frühjahr 2014 in die Schweizer Kinos und war für vier Schweizer Filmpreise nominiert. Ihr zweiter Spielfilm «Die Göttliche Ordnung» gewann unter anderem den Prix de Soleure, drei Schweizer Filmpreise und war 2017 der erfolgreichste Schweizer Film. Petra Volpe lebt in Berlin und New York.

Ausstrahlung von «Frieden» 

  • SRF 1: 8., 9. und 11. November 2020 ab 20.05 (Doppelfolgen)
  • RTS Un: 10. und 17. November 2020 ab 21 Uhr (je drei Folgen)
  • RSI La 1: 8., 15. und 22. November 2020 ab 22 Uhr (Doppelfolgen)
  • Play Suisse: Ab dem 7. November sind alle sechs Folgen in allen Sprachversionen (Deutsch/Französisch/Italienisch) verfügbar.

Weitere Informationen zur Serie «Frieden» findest du hier.